cdgw-Gala 2012
Der Rahmen war sehr festlich – und die Gäste bildeten einen hochkarätigen Querschnitt der deutschsprachigen Gesundheitswirtschaft. Mehr als 100 Teilnehmer aus den Reihen des cdgw und seiner Gäste, des Thieme Verlages sowie des Preisträgers und seines Unternehmens waren in das Marriott Hotel nahe des Potsdamer Platzes in Berlin gekommen. Sie gaben dem Preisträger und dem Abend einen anspruchsvollen und würdigen Rahmen.
Traditionell veranstalten der Club der Gesundheitswirtschaft und der Thieme-Verlag einmal im Jahr einen gemeinsamen festlichen Abend. Im Rahmen der cdgw-Gala zeichnet der Verlag jeweils die Managerin bzw. den Manager des vorangegangenen Jahres aus. Für 2011 ist die Wahl auf den Vorstandsvorsitzenden der Agaplesion gAG, Bernd Weber, gefallen.
Der Preis wird von den Herausgebern des Gesundheitswirtschafts-Magazin kma vergeben. Das Magazin erscheint im Thieme-Verlag. Für Thieme erläuterte Geschäftsführer Hartmut Fandrey, wie der Verlag auf einen Preisträger kommt. Er wies auf die dafür bestehende Satzung, definierte Auswahlverfahren, transparente und klare Regeln, entsprechende Recherchen sowie die entscheidende Jury-Sitzung hin. Es gehöre eigentlich zum guten Ton, sagte er, dass über Abstimmungsverhalten und -ergebnisse grundsätzlich nichts aus der Jury nach draußen dringe. Doch in diesem Falle konnte Hartmut Fandrey guten Gewissens eine Ausnahme machen. Denn das Votum für Bernd Weber fiel einstimmig aus.
Fandrey unterstrich auch, dass der Preis nicht für das Lebenswerk eines Managers vergeben werde. Für die Entscheidung sind vielmehr die vergangenen 18 bis 24 Monate ausschlaggebend. Und in dieser Zeit hat Bernd Weber das einzigartige Expansionsmodell von Agaplesion entscheidend vorangetrieben und die konfessionellen Häuser des Verbundes zukunftsfähig gemacht. Einzigartig sei auch die Rechtsform der gemeinnützigen Aktiengesellschaft, betonte Hartmut Fandrey. Der Agaplesion-Erfolg sei ganz direkt mit Bernd Weber als Person verbunden, den Preis erhalte er deshalb in erster Linie für seine strategische Leistung.
Die Laudatio auf den Preisträger hielt Armin Clauss. Der Sozialdemokrat, Gewerkschafter und frühere Hessische Sozial- und Gesundheitsminister im Kabinett Holger Börner, begleitet seit Jahrzehnten den Berufsweg von Bernd Weber – auch als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von Agaplesion. Bernd Weber hinterlasse am Ende eines arbeitsreichen Lebens – er geht im Frühjahr 2012 in den Ruhestand – ein Unternehmen auf Wachstumskurs, das knapp an der Umsatzgrenze von einer Milliarde Euro kratze. Zum Agaplesion-Verbund mit seinen 12.000 Beschäftigten gehören zurzeit rund 80 Einrichtungen (Kliniken, Pflegeheime, Hospize, MVZ und Krankenpflegeschulen).
Weber ist es laut Clauss immer ein besonderes Anliegen gewesen, die Tradition der christlichen Krankenpflege zu bewahren und den Einrichtungen unter modernen Rahmenbedingungen eine Zukunft zu geben. Clauss skizzierte Bernd Weber als entscheidungsfreudigen Macher, der ins Gelingen verliebt sei. Wenn er einmal ein Ziel formuliert habe, könne er auch sehr unnachgiebig sein.
Hobby-Koch und Weinlieber Weber, erzählte Armin Clauss, stammt aus einem pfälzischen Weinort. Sein typisch pfälzischer Humor habe schon so manche festgefahrene Verhandlung wieder aus der Sackgasse herausgeführt. Das hat sicher auch bei der Etablierung von Agapalsion als gemeinnütziger Aktiengesellschaft geholfen. Denn die Widerstände waren seinerzeit erheblich, erinnerte Clauss. Eine AG sei damals auch in Kirchenkreisen als Teufelswerk gesehen worden, weil mit den Begriffen „Börse“, „Shareholder Value“ etc. verbunden
… Heute bilde die gAG aber ein bedeutendes Alleinstellungsmerkmal der Agaplesion-Gruppe, sagte Clauss. „Sie ist der Schlüssel des Erfolges“, betonte der stellvertretende Aufsichtsrats-Vorsitzende. Er zitierte auch ein Bekenntnis Bernd Webers, dass da lautet: „Wer keinen Gewinn erwirtschaftet, handelt unethisch“, weil er die Ressourcenerwirtschaftung vernachlässige. Insofern werde Bernd Weber auch für sein kirchlich-christliches Unternehmertum geehrt.
Den Club-Abend hatte der renommierten Gesundheitsexperten Prof. Bernd Raffelhüschen vom Forschungszentrum Generationenverträge, Institut für Finanzwissenschaft I, der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, mit einem Impulsreferat eröffnet. Er sprach zur Nachhaltigkeit der Sozial- und Krankenversicherungssysteme. Nun wissen viele Zuhörer, dass die Thesen und Debatten in der Gesundheitswirtschaft nicht jeden Tag neu erfunden werden können und vieles schon bekannt ist. Aber so wie Bernd Raffelhüschen Daten, Zahlen und Statistiken präsentierte, hatten es bisher nur wenige gehört. Es war erstaunlich, wie unterhaltsam und erkenntnisreich eigentlich trockenes Zahlenmaterial aufbereitet werden kann.
Bernd Raffelhüschen bescherte seinem Publikum damit ein ganz besonderes Erlebnis.
Anhand zahlreicher Berechnungen, Projektionen aber auch Anekdoten führte Raffelhüschen hin zu seinem Alternativmodell eines Einheitsbeitrages in der Krankenversicherung für alle. Denn alleine der demographische Faktor werde die Beiträge auf 20 Prozent in der GKV herauftreiben. Nehme man die medizinischen Innovationen noch hinzu, lande man bei 30 Prozent. Das jetzige System sei mit seinen Strukturen völlig falsch konzeptioniert, sagte Raffelhüschen. Die so genannte Kopfpauschale sei dagegen gerechter und effektiver. Gesundheit sei nicht zum Nulltarif zu haben, es müsse auch über Selbstbehalte geredet werden. „Denn wir wollen immer mehr Leistungen, von immer weniger Beitragszahlern, immer länger.“ Das könne nicht funktionieren. Auch weil die Baby-Boomer-Genration der Ende 1950-er und Anfang 1960-er Jahrgänge reproduktive Rohrkrepierer seien. Die Reproduktionsrate dieser Generation liege gerademal genauso hoch wie in den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges, rechnete Raffelhüschen vor.
Mit der einheitlichen Kopfpauschale von etwa 200 Euro im Monat würde den Armen durch Steuerkompensation geholfen, und der Reiche zahle überproportional. Dies ein wirklich solidarisches System und deutlich besser als das vorhandene. Denn es gebe eine gute Antwort auf die Gerechtigkeitsfrage und löse die Beitragsprobleme in der Sozialversicherung. Wer bei der Kopfpauschale wirklich draufzahle seien allerdings die Rentner. Aber die seien nicht nur die Verursacher des Problems: Sie seien das Problem.
(Bildergalerie Fotos: Marcus Schmigelski)