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cdgw unterwegs in Düsseldorf

Fachkräftemangel in der Gesundheitswirtschaft und Lösungsansätze

Die Meldung kam passend. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann stellte am Mittwoch, 10. November 2021, eine Studie vor. Danach stieg die Anzahl der offenen beziehungsweise zukünftig zu besetzenden Vollzeitstellen in der Pflege von 10.092 im Jahr 2016/2017 auf nunmehr 23.763 in dem Bundesland. Damit habe sich der Mangel an Pflegekräften mehr als verdoppelt. Ein mögliches Gegenmittel ist laut Laumann die Zuwanderung. Genau mit diesem Thema befasste sich am selben Tag das cdgw-Treffen in Düsseldorf.

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Matthias Geisler vom cdgw-Mitglied Globogate Recruiting stellt fest: „Wir sind schon mittendrin im Pflegenotstand.“ Dabei sei die vorhandene Datenbasis schwierig und unzureichend. Globogate hat deshalb eigene Daten erhoben. Geisler erklärte, dass die Zahl der aus dem Ausland angeworbenen Fachkräfte deutlich nach oben gehe, das sei aber nicht nur ein deutsches Thema. Andere Länder wie Neuseeland, die USA, Großbritannien und Australien, auch die Schweiz, werben massiv Fachkräfte aus dem Ausland an. Zielländer seien insbesondere Philippinen, Spanien, Indien etc.

Dabei handele es sich laut Geisler um einen intransparenten Märkte mit langen Prozessen, viel Bürokratie, und es würden umfangreiche Ressourcen für die Integration der Menschen und für die Berufsanerkennung benötigt.

Geisler fragte deshalb: „Warum sollten Fachkräfte aus den Philippinen nach Deutschland kommen? Die seien in der Regel gut ausgebildet mit Bachelor- oder sogar Master-Abschluss in der Tasche – und ihnen stehe die Welt offen. In Deutschland müssten sie aber erst einmal die Sprache lernen und rund ein Jahr auf die Berufsanerkennung warten – und das ohne Gehalt. Das machten andere Länder, insbesondre die USA viel besser, die lockten zum Teil mit stattlichen Prämien.

Geisler unterstrich: „Der weltweite Bedarf an Fachkräften wird massiv zunehmen.“ International sei teilweise schon eine „Wilderei“ zu beobachten. Der würden Flugtickets für die Familie bezahlt, Abwerbepräminen in Höhe von 10.000 Euro und die Berufsanerkennung von den werbenden Unternehmen vorbereitet. International werde mit harten Bandagen gekämpft.

Familiärer Integrationsansatz

Auch das Universitätsklinikum Düsseldorf, Kooperationspartner der cdgw-Veranstaltung in der NRW-Landeshauptstadt, schaut sich auf internationalen Märkten nach Fachkräften um. Ekkehard Zimmer, Kaufmännischer Direktor, berichtete, dass jährlich zwischen 80 und 100 Pflegekräfte aus dem Ausland erfolgreich angeworben würden. Ein Zielland sei Namibia, wo deutsche Kultur noch immer eine Rolle spiele. Das mache die Integration einfacher. Besonders ist das Uniklinikum aber in Brasilien engagiert. Die Pflegekräfte dort verfügten über eine gute akademisierte Ausbildung. Das Klinikum arbeitet dafür mit einer Agentur zusammen, die Erfahrung in dem Land hat. Deshalb klappe das hervorragend. Zimmer unterstrich, dass das Uniklinikum nicht in Ländern werbe, die selbst Probleme mit Fachkräften hätten.

In Brasilien werde die Auswahl der künftigen Mitarbeitenden vor Ort getroffen. Dafür reise die Pflegedirektion für einige Tage nach Brasilien und sichte dort etwa 80 Bewerberinnen und Bewerber. Die relativ niedrigen Einkommen in Brasilien seien ein wesentlicher Schlüssel für eine erfolgreiche Akquise.

Die Auserwählten erhalten dann einen mehrwöchigen Sprachunterricht. Wichtig sei es vor allem aber, eine Beziehung zu den Menschen aufzubauen. Das Klinikum begleite deshalb das Berufsanerkennungsverfahren, zahle in dieser Zeit das Gehalt einer Pflegeassistenz, helfe bei der Wohnraumsuche und binde die neuen Kolleginnen und Kollegin gezielt in Freizeitaktivitäten ein. Und die Neuen können sich aussuchen, in welchen Bereichen sie arbeiten wollten. Diese kulturellen Faktoren seien wesentlich für den Erfolg der Integration, betonte Ekkehard Zimmer: „Dieser familiärer Ansatz trägt.“

Zimmer stellte aber auch klar: „Das alles wird uns in Deutschland aber nicht retten.“ Die Kliniken müssten sich daher stärker um die Ausbildung kümmern und Ausbildungsplätze anbieten.

Weiche Faktoren bei der Jobsuche

In einer Podiumsrunde wollte Nils Dehne, Geschäftsführer des Arbeitskreises Kommunaler Großkrankenhäuser und seit kurzem cdgw-Mitglied, wissen, was junge Pflegeexperten und angehende Ärzte von ihrem Beruf und den Arbeitgebern erwarten. An der Runde nahmen teil: Felix Beetz von der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland, Comelius Weiß vom Bündnis Junge Ärzte und Stephan Graue von Hashtag Gesundheit.

Weiß unterstrich, das die Suche nach einer sinnvollen Beschäftigung im Mittelpunkt bei der Arbeitsplatzsuche am Ende des Studiums stehe. Die jungen Ärzte wollten keinen Job, der zu Raubbau an Seele und Körper führe, viele junge Ärzte nähmen Medikamente, um über den Tag zu kommen. Die Arbeitsbedingungen hielten immer mehr davon ab, Vollzeit im Beruf zu bleiben. Dennoch sei Medizin ein tolles Studium, das auch einen Mehrwert für die Gesellschaft biete.

Dagegen berichtete Stephan Graue, der heute als Einrichtungsleiter in der Pflege und Dozent arbeitet, dass er bewusst aus der direkten Patientenversorgung herausgegangen sei, weil die Arbeitsbedingungen so schwierig seien.

Felix Beetz gab den Hinweis, dass die Entscheidung  für den Arbeitgeber bei den meisten im letzten Jahr des Studiums falle. Heute sei es ein Arbeitnehmermarkt, die jungen Ärzte hätten die Auswahl. Und die Studenten tauschten sich untereinander aus, welcher Arbeitgeber was biete. Dabei komme es nicht unbedingt auf das Gehalt an. Softe Faktoren spielten eine große Rolle, zum Beispiel der Grad der Digitalisierung von Arbeitsprozessen, um sich nicht mit allzu viel Formularen und langsamen Prozessen herumschlagen zu müssen. Aber auch Umgebungsfaktoren spielten eine Rolle: Wo kenne man schon jemanden, wo gibt es Netzwerke, wo kann man andocken…

 

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