Überspringen zu Hauptinhalt
+49 30 4172-3875 info@cdgw.de
EN DE

cdgw unterwegs in München

Perspektiven Gesundheitspolitik im Bundestagswahljahr

Andreas Ellmaier gab die Richtung vor. In seinem Impuls machte der Leiter Gesundheit- und Pflegewirtschaft im Bayerischen Ministerium für Gesundheit und Pflege klar: „Die Gesundheitswirtschaft ist die neue Leitökonomie in Deutschland.“ Eine Milliarde Bruttowertschöpfung geht auf ihr Konto -und zwar jeden Tag. Rund 7,5 Millionen Menschen sind in der Branche beschäftigt, mehr als zehn Prozent trägt sie zur gesamten Wirtschaftsleitung in Deutschland bei.

Artikel komplett einblenden...

Sie ist ein Wachstums- und Beschäftigungstreiber und liegt damit seit 2019 auf Platz 1 – deutlich vor der Automobilindustrie, zum Beispiel (das sind die aktuellen Zahlen). Dennoch ist die Gesundheits- und Pflegewirtschaft  in der Wahrnehmung immer noch völlig unterbelichtet, sagte Ellmaier. Seine Aussagen geben die zentralen Ergebnisse der WifOR-Studie im Auftrag des Freistaates Bayern wieder.

Die Präsentation von Andreas Ellmaier und die wichtigsten Zahlen zur Gesundheitswirtschaft gibt es hier. Die komplette Studie können Sie beim cdgw-Clubbüro anfordern.

Drei Ärzte – drei Meinungen  

In der anschließenden Diskussionsrunde liefert sich die beiden Bundestagsabgeordneten und Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger (CSU) und Prof. Andrew Ullmann (FDP) einen interessanten politischen Schlagabtausch über die Zukunft der Gesundheitsversorgung in Deutschland. Beide sind Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestages. Dr. Axel Fischer von der Allianz der Kommunalen Großkrankenhäuser (AKG) brauchte die Perspektive der klinischen Versorger ein. Interessant dabei: Alle drei Diskutanten sind von Haus aus Mediziner.

Woran hapert es in der Gesundheitsversorgung, und warum werden seit Jahren immer wieder dieselben Themen diskutiert, ohne dass sich Substanzielles ändert? Ein großes Manko, unterstricht, Dr. Fischer sind die Sektorengrenzen und dass zwischen den unterschiedlichen Akteuren die Informationsweitergabe nicht funktioniere. Informationen müssten anders und besser geteilt werden. Dies sei auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel wichtig. Und einen weiteren Punkt hob Fischer hervor: „In Deutschland messen wir die Qualität nicht richtig.“ An das Thema traue sich aber niemand dran, Qualität müsse für die Menschen verständlich dargestellt werden, damit sie eine Entscheidung für oder gegen ein Krankenhaus treffen könnten. Dr. Fischer plädierte dafür, dass es in einer Region einen Maximalversorger geben solle, der mit anderen Akteuren der Gesundheitsversorgung kooperiere. Dafür brauche es aber ein Reform des DRG-Systems, ein gemeinsames Budget und eine Vorhaltepauschale für große Krankenhäuser.  

Fischer machte auch deutlich: „Wir haben zu viele Krankenhäuser und zu viele Betten in Deutschland. Wir machen auch zu viel Medizin und sind dabei nicht mal besser als andere Länder.“ Die AKG erwarte, dass sich die Politik traue, an das Thema ranzugehen, um die „fatale Konkurrenz“ um immer mehr Betten und Patienten zu beenden. Die Themen Qualität und Bedarfsplanung seien zentral. Im Hinblick auf Corona warnte er vor dem falschen Gedanken, dass wir die Krise hierzulande auch deshalb so gut gemeistert hätten, weil es so viele Krankenhäuser gebe.

Evolution statt Revolution

Pilsinger und Ullmann schilderten dem cdgw-Publikum wie sie sich die Gesundheitsversorgung in Zukunft vorstellen, wo Reformen erforderlich seien und wo Grenzen der Berliner Politik lägen.

Stephan Pilsinger betonte die Notwendigkeit der Vernetzung aller Akteure, der Blick auf die Kliniken allein greife daher zu kurz. Und die Digitalisierung müsse vorangetrieben werden. Er betonte, dass das Kliniksystem in der nächsten Wahlperiode des Bundestages reformiert werden müsse: „Wir müssen darüber reden, wer macht was.“ Es brauche eine „qualitätsorientierte Krankenhausplanung“. Länder wie Bayern, die viel in die Krankenhäuser investierten, sollten dafür mit einem Bundeszuschuss belohnt werden. Pilsinger sagte weiter: „Ich stehe grundsätzlich zum DRG-System, aber wir müssen das Gesamtsystem der Versorgung neu diskutieren.“

Für die Versorgung der Menschen in einer Region seien erst einmal eine funktionierende Notaufnahme und eine Basisversorgung wichtig. Es dürfe daher keinen Kahlschlag in der wohnortnahen Basisversorgung geben. Weil diese aber nicht gut bezahlt werde, liefen die Kliniken in rote Zahlen und versuchten diese durch zusätzliche Leistungen auszugleichen. Pilsinger: „Wir wollen, dass die Menschen vor Ort das bekommen, was sie vom Staat erwarten.“ Daher müsse die Finanzierung dafür auskömmlich sein. Und er ergänzte: „Wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt, deshalb bin für eine evolutionäre Weiterentwicklung und nicht für eine Revolution.“

Bei der Krankenhausplanung zeigte sich Pilsinger skeptisch, dass die Bundesländer bereit seien, Kompetenzen an den Bund abzutreten. Er werde sich in Berlin auch nicht dafür einsetzen, dass von oben herab eine breite Krankenhausversorgung ausgetrocknet werde: „Die Länder müssen eine vernünftige Krankenhausplanung machen.“ Dennoch solle sich die Bundespolitik mehr trauen, Definitionen vorzugeben, aber das Spezielle sei bei der Selbstverwaltung besser aufgehoben.

Keine Chaos-Planung aus Berlin

Prof. Ullmann nähert sich der Gesundheitsversorgung von morgen mit einem anderen Ansatz. Er sagte: „Das DRG-System ist per se richtig.“ Es habe allerdings auch Fehlanreize verstärkt. Ein Problem sei die duale Finanzierung, weil die Investitionskosten damit nicht gedeckt würden. Die Kliniken bewegten sich daher in einem Hamsterrad. Sie müssten Personal einsparen und Leistungen erhöhen. Wichtiger sei allerdings zu fragen: „Wie sieht die Klinik der Zukunft aus?“

Der FDP-Politiker sprach sich dafür aus, die „Qualität der Krankenhäuser auf eine andere Basis zu stellen“. Kleine Häuser wollten auch viel anbieten, das sei aber nicht realistisch. In einer Region sollten aufeinander abgestimmte Spezialisierungen erfolgen, das sei ein Qualitätsmerkmal. Ullmann unterstrich: „Wir müssen die stationäre Versorgung neu denken.“ In der Stadt herrsche in der Regel eine Über- und in der Fläche eine Unterversorgung.

Es sei die Aufgabe der Bundespolitik, die Leitplanken zu setzen, wie Krankenhäuser in der Zukunft aussehen sollten. Er wolle aber keine Chaos-Planung aus Berlin. Die Strukturreform solle aus den Regionen kommen.

An den Anfang scrollen