cdgw-Workshop in Brüssel
Informationen aus erster Hand – erneut tagte der Business Club in der EU-Hauptstadt
Der Einfluss der Europäischen Union auf die Mitgliedstaaten wächst auch in der Gesundheitswirtschaft. Das gilt ebenso für das Wettbewerbsrecht. Worauf müssen Kliniken und Unternehmen achten, wenn sie expandieren. Was ist bei Ausschreibungen zu beachten? Und welche Rolle spielt dabei die Europäische Union? Mit diesen Fragen hat sich der cdgw-Workshop am 7. März in Brüssel befasst, Rund 50 Teilnehmer waren dazu in Europas Hauptstadt gekommen.
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Im Anschluss an den Wettbewerbsteil stand zudem ein Besuch bei der Europäischen Kommission auf dem Programm.
Und am Abend gaben Flotillenadmiral Jürgen Ehle und Oberst Joachim Bruns Einblick in die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Gemeinschaft. Sie sprachen über Strukturen, strategische Ziele, Erfolge und Hürden.
Wettbewerbsrecht in der EU
Ortwin Schulte, Referatsleiter Gesundheit der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der EU, sagte: Die Interessenunterschiede in der Gesundheitspolitik verliefen nicht nur zwischen Ost und West, sondern auch zwischen Nord und Süd sowie zwischen großen und kleinen Staaten. Der Akzent liege bei vielen Mitgliedsstaaten auf Autonomie und dem Erhalt der jeweiligen Systembesonderheiten, auch in Deutschland. Die Bundesrepublik bringe dabei stets die Gedanken der Selbstverwaltung und des Wettbewerbs ein – Mechanismen, die andere EU-Länder so nicht kennen. Damit sind viele Konfliktfelde aufgemacht. Die Verteidigung der jeweiligen Systembesonderheiten – insbesondere auch von deutscher Seite – würden daher ein akutes Thema der kommenden Jahre bleiben.
Daten sind das Gold der Zukunft. Wer wüsste das besser als Gesundheitsunternehmen und Krankenhäuser. Doch rechtlich bewegen sich da viele auf schwankendem Grund, unterstrich der Münchner Rechtsanwalt Ernst Tandler. Er setzte sich in erster Linie mit Fragen auseinander wie: Wem gehören die Daten, was dürfen Kliniken mit den Daten anfangen, wie wirksam und rechtmäßig sind Bestimmungen in den AGB von Softwareherstellern, die die Arbeit der Krankenhäuser mit Patientendaten einschränken und lenken wollen? Wie immer in der Juristerei gibt es darauf keine allgemeingültigen einfachen Antworten. Aber, machte Tandler an die Krankenhäuser gerichtet deutlich: „Die Datenbanken gehören den Kliniken, und sie können sie auswerten. Das darf nicht durch die AGB eingeschränkt werden.“ In der Fachsprache heißt dies dann: „Der frei lesende Zugriff des Datenbanknutzers muss hergestellt sein.“
AGB können also aus Tandlers Sicht ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht sein. Den Blick auf das große Ganze wirft daher die EU-Kommission. Darüber berichtete Rainer Becker von der Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission. Da passte es gut, dass die Kommission als Hüterin des Wettbewerbs im Gesundheitsbereich aktuell und erstmals eine Bilanz, vor allem im Arzneimittelsektor, vorgelegt hat.
In der Zeit von 2009 bis 2017 hat die EU-Kommission danach beim Themenkomplex „Absprache und Missbrauch“ 24 Verbotsbeschlüsse, fünf Verpflichtungsbeschlüsse und Untersuchungen in mehr als 100 Fällen veranlasst, 20 Fälle sind derzeit anhängig. Im Bereich „Fusionen“ hat die Kommission 19 Abhilfemaßnahmen eingefordert und 80 Verfahren in Gang gebracht. Die verhängten Geldbußen liegen bei mehr als einer Milliarde Euro. Den Bericht der Kommission finden Sie hier.
EU-Sicherheitspolitik
Die EU, so beschrieb es Flotillenadmiral Jürgen Ehle von der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der EU, sehe sich mit Blick auf die globalen Konfliktlagen derzeit einer „360-Grad-Bedrohung“ ausgesetzt. In der Vergangenheit seien EU-Initiativen vor allem auf Grund der Orientierung an der NATO nicht vorangekommen Die NATO sei aber rein militärisch ausgerichtet. Die EU nehme dagegen auch Entwicklungshilfe, Good Governance, Diplomatie, Training fremder Streitkräfte etc. stark in den Fokus. Derzeit sei die EU an sechs militärischen und zehn zivilen Operationen beteiligt.
Aktuell geben die EU-Mitgliedsstaaten keine Souveränitätsrechte an die EU ab. Solange keine EU-Armee existiert, kooperieren die EU-Staaten erst einmal vertieft politisch. Die EU-Armee sei eine Vision, sagte Ehle. Die EU Staaten wendeten zurzeit zusammen rund 200 Milliarden Euro für Verteidigungskosten auf, die USA rund 430, Russland 30 bis 40 Milliarden jährlich. Berechnungen zufolge ließen sich bei den EU-Staaten durch eine bessere Zusammenarbeit und gemeinsame Standards auf diesem Gebiet 25 bis 100 Milliarden Euro einsparen. Zum Beispiel bei den Rüstungsprojekten: Währen die USA über 37 Waffensysteme verfügten, seien es in den EU-Staaten zusammen 178; und die US-Amerikaner setzten auf einen Panzertypen, in der EU sind es 35. Das sei nicht effizient.
Künftig wird die EU deshalb erstmals Geld für einen Verteidigungsfonds ab 2021 bereitstellen, fünf Milliarden Euro jährlich. Ein erster Schritt, um Doppelentwicklungen zu vermeiden. Die EU hat 74 Projekte definiert für eine engere Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten. Auch die Zusammenarbeit von NATO und EU soll verbessert werden. Das zeigt schon die Schnittmenge: 22 Länder sind sowohl Mitglied der NATO (29 Staaten) als auch der EU (28).
Engagement in Afrika
Oberst Joachim Bruns vom Europäischen Auswärtigen Dienst richtete seinen Blick nach Afrika. Dort ist die EU in drei Ländern beim Aufbau von Streitkräften engagiert. Themen seine dort u.a. Schutz der Zivilbevölkerung, Ausbildung, Beratung, Begleitung und Schaffung von nachhaltigen Strukturen. Dies sei ein langer Prozess, der über Generationen führen werde, sagte Bruns. Er riet den Europäern da geduldig zu sein. Denn Struktur- und Mentalitätswechsel benötigten Zeit. Die EU verzeichne in den Ländern Erfolge, wenn auch zugegebenermaßen erst einmal nur kleine. Es benötige einen langen Atem, bis diese Ländern auf eigenen Füßen stehen könnten.
Aber hinter dem Engagement der EU – und das macht die Bedeutung noch einmal eindringlicher klar – verbirgt sich auch ein großes Thema: die Migration. Denn Sicherheit und Entwicklung gehen Hand in Hand. So leistet die EU mit ihrem militärisch-zivilen Engagement einen Beitrag dazu, dass die Menschen in Afrika in ihren Ländern eine Zukunft finden können und nicht die Flut nach Europa als letzten Ausweg sehen müssen.